Mittwoch, 26.9.2018, 18h, Gebäude 01/ Raum E01- E02 − Eröffnungsveranstaltung
Krieg und Frieden / La Guerre et la Paix. Regards croisés franco-allemands. Nicolas Offenstadt und Arndt Weinrich im Dialog (in deutscher Sprache)
Nicolas Offenstadt (Université Panthéon-Sorbonne) und Arndt Weinrich (Sorbonne Université) werden das Rahmenthema des Kongresses aus deutscher und französischer Perspektive diskutieren und dabei Kriegs- und Friedenspraktiken vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert beleuchten.

Nicolas Offenstadt ist Professeur agrégé und Maître de Conférences an der Universität Paris 1 (Panthéon-Sorbonne), wo er mittelalterliche Geschichte und Mediävistik lehrt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Kriegs- und Friedenspraktiken des späten Mittelalters und des Ersten Weltkrieges sowie Erinnerungskulturen und Gedenken an die Grande Guerre in Frankreich. Er ist Gründungsmitglied des Comité de Vigilance face aux Usages Publics de l’Histoire, ergreift häufig in französischen Medien Stellung, etwa zur Rolle des Historikers in der Öffentlichkeit, und ist mit regelmäßigen Beiträgen in Le Monde vertreten.
Dr. Arndt Weinrich ist DAAD-Fachlektor Geschichte an der Sorbonne Université und assoziiertes Mitglied der UMR SIRICE (Sorbonne Identités, relations internationales et civilisations de l’Europe). Er war von 2011 bis 2017 Leiter der Forschungsgruppe “Erster Weltkrieg” am Deutschen Historischen Institut Paris. Er ist Mitglied des Comité directeur du Centre de recherche de l’Historial de la Grande Guerre in Péronne sowie der Mission du Centenaire de la Première Guerre mondiale. Nach seinem Studium der Geschichte, Philosophie und Études européennes in Düsseldorf und Paris und der Promotion an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin.
Donnerstag, 27.9.2018, 11h-12.30h, Gebäude 22/ Raum B01 − Sprachwissenschaftliche Plenarveranstaltung
Guido Braun (Bonn): Qu’il y ait une Paix Chrestienne, universelle, & perpetuelle. Das Französische und die Westfälische Friedensordnung von 1648 (Vortrag in deutscher Sprache)
Wie entsteht Frieden? Die europäische Geschichte der Frühen Neuzeit vermag auf diese Frage für die Gegenwart relevante Antworten zu bieten, denn der Blick auf die Vergangenheit erlaubt es, von den politischen Verhandlungsproblemen zu abstrahieren und die Aufmerksamkeit auf die Methoden und Techniken zur Konfliktlösung und Friedensstiftung zu lenken. Dieser „Blick aus der Ferne“ dient insofern einer besseren Kenntnis und einem tieferen Verständnis von Friedensvorstellungen und Praktiken der Friedensstiftung. Die zahlreichen Konflikte der Frühen Zeit wurden von intensiven Friedensbemühungen begleitet, die auf die Bellizität der Epoche mit der Etablierung neuer Verhandlungsformen eine diplomatische Antwort zu geben versuchten und dabei grundlegende Formen und Mechanismen der Friedensstiftung entwickelten. Sie zeigen den hochentwickelten Stand der zeitgenössischen “Friedenskunst” und führten im Zeitraum von 1450-1789 jüngeren Forschungen zufolge zu etwa 2 000 internationalen Vertragsschlüssen. Als ein wichtiges Instrument des Friedenschließens bildeten sich die europäischen Kongresse heraus, namentlich der Westfälische Friedenskongress (1643-1649). Besonders aufschlussreich für das Verständnis der Arbeitspraktiken diplomatischer Unterhändler ist eine Untersuchung der Sprache als grundlegenden Arbeitsinstruments der von ihnen geführten Verhandlungen ebenso wie ihrer Korrespondenz- und Berichtspraxis. Sprache war allerdings nicht nur ein Mittel, sondern auch selbst ein Gegenstand der Westfälischen Friedensverhandlungen. Auf dem vielsprachigen Kongress war die Auswahl der jeweils benutzten Sprache keineswegs fakultativ. Eine strukturelle Analyse fördert die herausragende politische Bedeutung der Sprachwahl in der diplomatischen Praxis und deren sowohl politische als auch rechtliche Implikationen zutage. Dadurch wird deutlich, warum auf dem Westfälischen Friedenskongress sich politische Verhandlungsbereitschaft oftmals in Konzessionen zum Sprachgebrauch manifestierte, während Intransigenz bezüglich der Sprachwahl als Symptom einer allgemeinen Verhandlungskrise oder gar als Anzeichen ihres bevorstehenden Scheiterns gedeutet werden kann. 1648 wurde der kaiserlich-französische Frieden auf Latein, in der Sprache des christlichen Abendlandes, verfasst. Nur durch den Erwerb der gleichen Ausdrucksfähigkeiten konnte das Französische daraufhin zur Sprache der Diplomatie und der politischen Wissenschaften avancieren. Wenn das Französische sukzessive das Lateinische in den internationalen Beziehungen zu ersetzen vermochte, so stellt sich dieser Übergang als Teil einer grundlegenden kulturellen Transformation im zeitgenössischen Europa da.
Guido Braun ist Doktor der Universitäten Bonn und Paris-Sorbonne. Nach Stationen an verschiedenen außeruniversitären Forschungsinstituten sowie der Universität Bonn wird er zum 1. Oktober 2018 eine Professur für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Université de Haute-Alsace in Mulhouse antreten. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Internationalen Geschichte, der Historischen Friedensforschung und der Wissensgeschichte.
Freitag, 28.9.2018, 11h-12.30h, Gebäude 22/ Raum B01 − Literaturwissenschaftliche Plenarveranstaltung
Guerre et paix dans le monde actuel – conférence et entretien avec Shumona Sinha (Vortrag in französischer Sprache)

Englischlehrerin, Dolmetscherin, Übersetzerin, Schriftstellerin: Die 1973 in Kalkutta geborene, in Paris lebende und auf Französisch schreibende Autorin Shumona Sinha durchquert beruflich und kulturell verschiedene Welten. In ihren vier bislang veröffentlichen Romanen macht sie diese Grenzwanderungen, aus denen durchaus konfliktreiche Begegnungen erwachsen, zum Thema. Dabei verbindet sie literarästhetische Strategien mit politischen Beobachtungen, die Strukturen und Verhaltensmuster in einer globalisierten Welt aufdecken, ohne sich auf einseitige Stellungnahmen festzulegen.
Besonders nachdrücklich geschieht dies in ihrem mehrfach preisgekrönten zweiten Roman Assommons les pauvres ! von 2011 (dt. Erschlagt die Armen! 2015). In Frankreich löste das Buch, dessen Titel auf ein Baudelaire-Gedicht anspielt und in dem Sinha auf persönliche Erfahrungen als Dolmetscherin der Asylbehörde zurückgreift, einen Skandal aus. Denn es schildert die Missstände der Behörde aus der Binnensicht, ohne Partei zu ergreifen: Überforderte, abgestumpfte Mitarbeiter und eine realitätsfremde Bürokratie auf der einen, Wirtschaftsflüchtlinge, die für eine Aufenthaltsgenehmigung standardisierte Notlügen über Verfolgung, Folter oder sexuellen Missbrauch auswendig lernen und abspulen, auf der anderen Seite. Ist die Auseinandersetzung mit der Entfremdung zur eigenen Herkunftskultur Thema des dritten Romans Calcutta (2014; dt. 2016), der am Beispiel einer Familiengeschichte gesellschaftliche und historische Einblicke gibt, artikuliert Apatride (2017; dt. Staatenlos) erneut eine grundsätzliche Systemkritik. Staatenlosigkeit, so macht es der Roman am Beispiel dreier Frauenschicksale deutlich, ist ein Phänomen globaler Reichweite. Sie ist Produkt und konstitutiver Teil der herrschenden Weltordnung und betrifft die indische Migrantin in Paris ebenso wie das erwachsen gewordene Adoptivkind unbekannter Herkunft oder die an autoritärem Patriarchalismus und geschlechtlich verankerter Ungleichheit scheiternde junge Inderin.
In ihrem Vortrag wird Shumona Sinha, die in einer regelmäßigen Kolumne in Charlie Hebdo zu aktuellen Themen Stellung nimmt, über Formen und Bedingungen von Krieg und Frieden in unserer gegenwärtigen Welt reflektieren.
Freitag, 28.9.2018, 19h, Literaturbüro Westniedersachsen, Am Ledenhof 3-5, Osnabrück
Lesung und Diskussion mit dem mahorischen Autor Nassur Attoumani (Veranstaltung in französischer Sprache)
Der 1954 geborene Nassur Attoumani ist einer der vielfältigsten und engagiertesten Schriftsteller der Komoren. Der Dramatiker, Autor und Musiker lebt und schreibt auf der Insel Mayotte. Diese im Indischen Ozean gelegene Insel ist ein französisches Department und somit Teil Europas, doch viele Kontinentaleuropäer haben noch nie von ihr gehört. In seinen Geschichten und Essays berichtet Attoumani von der Insel und ihren Bewohnern, von den kulturellen und politischen Widersprüchen der Region, von der kolonialen Vergangenheit sowie von dem aktuellen Problem der verbotenen Immigration von den Komoren nach Mayotte, die häufig tödlich endet. Für seinen Roman Mon mari est plus qu’un fou ; c’est un homme (2006/2015) erhielt er den ersten Preis in der Kategorie “Romane” beim Grand Prix Littéraire de l’océan Indien. Sein Theaterstück Interview d’un macchabée (2000) wurde bei demselben Wettbewerb mit einer besonderen Erwähnung geehrt.
Attoumani ist ein “Tabubrecher” (Mohamed Toihiri), der sich nicht scheut, Themen wie Inzest, Sklaverei, sexuelle Doppelmoral, die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und die Gewalt auf Mayotte anzusprechen. Er schafft dabei eine Ästhetik, die mal zu Humor und Satire neigt (Le turban et la capote, 2009/2013, Les anachroniques de Mayotte, 2012), ein andermal eine nostalgische Wendung nimmt (Les aventures d’un adolescent, 2006) und sich am häufigsten in Form eines kruden Realismus präsentiert, der hart an die Grenze des Erträglichen geht (Nerf de bœuf, 2000 ; Tonton ! Rends-moi ma virginité, 2015; Requiem pour un Nègre, 2015).
Die Lesung wird in Kooperation mit dem Literaturbüro Westniedersachsen im Rahmen der Sektion 2 “Europas Grenzen im Indischen Ozean: Literarische, künstlerische und wissenschaftliche Interventionen im Konflikt um Mayotte” (Vorsitz: Prof. Dr. Margot Brink, Flensburg) veranstaltet.